Armutsgericht

Über Armutsgericht

Terz Vier Armutsgericht ist eine sozialkritische Initiative und ein Kunstprojekt von Terz Vier. Ein Erfahrungsbericht aus dem sozialen Abseits in Deutschland: Auszüge von Wortgewalten und verbalen Bedrohungen, mit denen ich seit Jahren konfrontiert werde - gezwungenermaßen durch meine persönlichen Lebensumstände. Umstände, die mich und meine Familie an den sozialen Bodensatz der Gesellschaft gespült haben. Ein Leben, das wir uns nicht ausgesucht haben. Ein Lebensweg in Richtung Armut, dem keine Schuldfrage zugrunde liegt, sondern eine Schicksalsfrage anhaftet. Armutsgericht stellt dem Sozialstaat Deutschland ein Armutszeugnis aus. Ein Staat, der sich zu den reichsten Ländern der Welt zählt, ein "Exportweltmeister", dessen gesellschaftliche Spaltung sich (auch) in der monströsen Verformung seiner Sprache zeigt - ein Tränengewitter über verbale Grausamkeiten.

Stiller Protest - laut nachgedacht

Armutsgericht - ein stiller Protest, der ein Gefühl des frostigen Klimas aus den sozialen Niederungen vermitteln soll und hoffentlich zum lauten Nachdenken anregt.

Für die Sprache, die mir aus den Büros von Ämtern, Behörden und Versicherungen entgegenschlägt, fehlen mir (noch) die Worte. Also lasse ich auf diesen Webseiten etwas von jenen Ausdrucksweisen durchblicken, die ich nicht nur gezwungen bin seit Jahren zu ertragen, sondern mit denen ich mich tagtäglich ernsthaft aus-einander-setzen muss. Ein übler Sprach-Charakter in existenziell bedeutsamen Auseinandersetzungen - mitten im gesellschaftlichen Klimawandel: kalt, rau, entwürdigend und bedrohlich.

Sprachrohr von unten nach oben

Der sich immer weiter spreizende Spagat zwischen Reich und Arm in Deutschland findet längst seinen Ausdruck in einer menschenverachtenden, durchökonomisierten und nach technokratischer Ordnung strebenden Sprache. Mehr noch: sie verbreitet zum Teil soziale Totengräberstimmung, wird missbraucht als Mittel zum Zweck, als Katalysator einer sich selbst zerfleischenden Gesellschaft, in der der Begriff "Solidargemeinschaft" die sozialstaatliche Idee in ihr Gegenteil pervertiert. Es bleibt nichts als Hohn und Spott auf die sozial schlecht gestellten Menschen. Solidargemeinschaft ...: nicht mehr als eine Worthülse. Und doch für manche Menschen oberhalb der Armutsgrenze ein bedrohlicher Körper, wenn auch mit verwesenden Ausdünstungen.

"Die da unten" haben keine Lobby. Als ein Teil von ihnen möchte ich mit meinem Projekt den Versuch unternehmen, ein kleines Sprachrohr in die oberen Etagen zu legen.

Abgehängt ...

... vom Leben! - wäre eine treffende Kurzbeschreibung unserer Lebenslage. Was mich und meine Familie in diese Situation gebracht hat - umgangssprachlich als "soziale Schieflage" bezeichnet - und welche Umstände konkret dazu beigetragen haben, tut hier nichts zur Sache. Um Missverständnisse zu vermeiden und die üblichen Vorurteile gar nicht erst aufkommen zu lassen: jawohl, ich weiß, wovon ich rede!

Ich pflege seit mittlerweile 6 Jahren ein nahestehendes Familienmitglied im eigenen Haushalt, das an einer unheilbaren, chronischen Krankheit leidet. Der Gesundheitszustand verschlimmert sich dabei fortlaufend. Ich kümmere mich um Haushalt, Erziehung und Pflege; neben meinem Fulltimejob als freiberuflich Selbstständiger, mit dem ich - bis es einfach nicht mehr ging - für unseren Lebensunterhalt sorgte. Mit zunehmender Verschlechterung unserer familiären Situation konnte ich immer weniger an Zeit und Energie für meine berufliche Arbeit aufbringen: der Beginn einer Abwärtsspirale.

Blockaden von Amts wegen

Um wirtschaftlich über die Runden zu kommen, sind wir zunehmend auf staatliche Hilfe angewiesen. Und hierbei fingen die Probleme erst richtig an: die Auseinandersetzungen mit Ämtern, Behörden und Versicherungen bringen mich längst weit über meine Belastungsgrenzen. Institutionen, die den Teil einer Lösung in unserer Situation bilden sollten, verkehren ihre Handlungsweisen ins Gegenteil - und werden damit zum größten Teil unseres Problems. Statt Unterstützung im Sinne eines Sozialstaats in unserer ohnehin schon schwierigen Lebenslage erlebe ich mit Barrieren und Blockaden behaftete Auseinandersetzungen, enorme Reibereien mit entwürdigenden Prozeduren in einem menschenverachtenden Klima, unter ständigem Generalverdacht stehend, mit Schuldzuweisungen und Missbrauchsvorwürfen konfrontiert.

Bürokratie ist nicht das Problem

Um nicht missverstanden zu werden: Änträge zu stellen, mit vielen Formularen und Zettelwirtschaft, Rennerei von X nach Y mit Beglaubigung hier, Bescheinigung dort - ist nicht das Problem. Auch ist für mich selbstverständlich, das Anträge geprüft und beurteilt werden (müssen). Sonst könnte ja jeder ... Sie wissen schon. Wenn ich aber für jeden Antrag mindestens zwei Sozialverbände, eine Pflegeeinrichtung und einen Rechtsanwalt beschäftigen muss, wenn jeder Antrag erst mal aus Prinzip abgelehnt wird (ja, dieser Wahnsinn hat Methode!) ... wenn von Institutionen "auf Zeit" gespielt wird, Termine nicht eingehalten und die persönlichen Lebensumstände kein bisschen berücksichtigt werden ... wenn jedes Bestreben meinerseits - aus der miserablen Situation das Beste zu machen und alles dafür zu tun, möglichst bald wieder auf eigenen Beinen zu stehen - von Behördenseite regelrecht abgestraft wird ... dann habe ich sehr wohl ein Problem. Ein sehr großes sogar: ein existenzbedrohendes.

Müde und sprachlos

Ich bin müde, erschöpft und es macht mich wahnsinnig wütend, immer wieder "beweisen" zu müssen, was längst jeder weiß und was offensichtlich ist. Der permanente Kampf von Antragstellungen, über Ablehnungsbescheide, hin zu Widerspruchsverfahren und weiter zu Ablehnungsbescheiden der Widerspruchverfahren ... um letztendlich beim Sozialgericht durch richterlichen Beschluss die Bewilligung von Leistungen zu erhalten, die mir seit Antragstellung tatsächlich zustehen. Leistungen, auf die ich für eine Prozessdauer über Monate oder sogar Jahre nicht verzichten kann: weil ich auf sie existenziell angewiesen bin, ohne sie wirtschaftlich in arge Bedrängnis komme oder gar in den Ruin getrieben werde. Ich be-klage mit Armutsgericht den sozialen Kriegsschauplatz in Deutschland. Mehr noch: ich möchte ihn an den medialen Pranger stellen! Das Hartz IV-Schlachtfeld: auf dem die Ämter unter staatlicher Befehlsgewalt hoch zu Ross und schwer gepanzert den vermeintlichen Feind, Barfuß und in Armutsgewändern, gegen den "produktiven" Teil der Gesellschaft "schützen" und mit einer Strategie der Angriffsverteidigung einheizen.

Der von Misstrauen, Schuldzuweisungen, Generalverdacht und umkehrender Beweislast geprägte Umgang deutscher Behörden mit Sozialhilfeempfängern verletzt zutiefst jede Menschenwürde. Er ist im Detail nahezu unbeschreiblich, lässt sich nach Außen kaum noch vermitteln. Mir hat es regelrecht die Sprache verschlagen ... die ich hoffentlich bald wieder finden werde.

Kriechspur der Wortmonster

Die auf der Homepage wiedergekauten Worte und Begrifflichkeiten habe ich über Jahre gesammelt. Ich habe wohlgemerkt nicht nach Ihnen gesucht - sie haben wie von selbst den Weg zu mir gefunden. Aus Gesprächen mit Beratungsstellen, Sozialämtern, Pflege- und Krankenversicherungen, Rechtsanwälten und Sozialverbänden; und natürlich aus Richtlinien, Verordnungen und Literatur, mit denen ich mich zwangsläufig befassen musste. Selbst in kurzen Gesprächen zwischen Tür und Angel, ob im Sanitätshaus oder in der Apotheke, habe ich Formulierungen aufgeschnappt ... ohne Worte ... schauen Sie einach selbst: www.armutsgericht.de

Geduld ...

... erfordert das Betrachten dieser Webseite - ein ruhiges Auf-sich-wirken-lassen. Sie entspricht nicht den Rezeptionserwartungen im Web der heutigen Zeit. Alle 4 bis 5 Sekunden wechselt der Inhalt in Form eines (Un)worts oder Begriffsmonsters oder einer mich berührenden Formulierung - um anschließend eine damit verbundene Schwingung zwischen den Zeilen, einen drohenden Apell oder eine emotionale Assoziation als Kommentierung einzublenden.

Was denken Sie?

Mir geht es in meinem Beitrag um Würde, faire Behandlung und um ein gleichberechtigtes Miteinander: die Einforderung von Sozialstaat und Rückeroberung einer Solidargemeinschaft.
Sie können mir gerne Ihre Erfahrungen oder Gedanken mitteilen, schreiben Sie mir einfach eine Mail. Über einen Zuspruch freue ich mich natürlich auch. Und Mut machen: ist absolut erlaubt!
mail@armutsgericht.de

(Von sozialen Beileidsbekundungen sowie Konfrontationen mit stereotypen Vorurteilen bitte ich abzusehen.)

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